Der historische Dinkelübergang bei Nienborg
Im Ossenkamp, nahe der Brücke über den Donaugraben, übergab der Heimatverein Nienborg am 19. Oktober 2014 ein Wegezeichen mit Symbolen von lokalen, historischen Begebenheiten der Öffentlichkeit.
Flussübergänge ermöglichen den Austausch von Waren und Informationen und sind eine Voraussetzung für Handelsbeziehungen. Auch der im weiten Umfeld einzige Übergang durch das früher sumpfige Dinkeltal hat diese Bedeutung erlangt. An diesem Ort ließen sich historische Phänomene geradezu bündeln und machten Geschichte lokalisierbar.Um diesen historischen Begebenheiten ein Gesicht zu geben, gelang es, Ergebnisse geschichtlicher Forschung, ästhetische Gesichtspunkte und technische Fragen in Einklang zu bringen. Der Heimatverein Nienborg stellte die finanziellen Mittel für die Realisierung des Projektes zur Verfügung.
Fernhandelswege stehen wegen ihrer besonderen Bedeutung im Mittelpunkt der Stele.
Als die Franken um 800 die Sachsen unterwarfen, waren es vornehmlich Straßenkreuzungen und Furten, an denen die neuen Herren befestigte Höfe anlegten. Hermann II., Fürstbischof von Münster, erkannte die strategische Bedeutung des Ortes und gründete in unmittelbarer Nähe 1198 seine stärkste Landesburg. Die neue Burg sicherte die bischöfliche Herrschaft und kontrollierte die Handelswege in ihrer Umgebung. Das an oberster Stelle präsentierte Siegel der Burgmannschaft versinnbildlicht die Bedeutung der fürstbischöflichen Burg.
Hier betrieb der nahegelegene Bedinghof eine Kornwassermühle zur Versorgung der Burg und als Einnahmequelle für das bischöfliche Amt.
Sie wurde bei Auseinandersetzungen der Burgmannen mit den Dynasten zu Ahaus und Ottenstein um 1400 zerstört und anschließend an ihrem heutigen Standort wieder aufgebaut. Die Brücke an diesem Ort behielt jedoch ihren Namen und wurde noch um 1800 – 400 Jahre später – als die „alte Mühlenbrücke“ bezeichnet.
Der mit Fischen gefüllte Kescher symbolisiert mehrere im Umkreis der Mühle angelegte Fischteiche. Für die Versorgung der bischöflichen Hofhaltung wurde eine intensive Teichwirtschaft betrieben. Fisch war für die Geistlichkeit eine wichtige Fastenspeise. Der Süßwasserfisch (Hecht, Karpfen) war zudem als Herrenspeise ein Statussymbol und für die einfache Bevölkerung nahezu unerschwinglich. Als Fischteiche lassen sich im Mittelalter der Diek, (niederdeutsch ‚Teich‘) die „Schlusebeke“, der „Ossenkamp“ und die „Gerkuhle“ nachweisen.
In der Nähe des Dinkelübergangs kreuzten sich im Mittelalter bedeutende Fernwege und Handelsstraßen:
– in die Niederlande nach Deventer (über Gronau; seit dem 17. Jahrhundert von Nienborg auch über Alstätte als so genannter „Hessenweg“),
– über Schöppingen und Münster nach Soest/Paderborn,
– über Ahaus nach Bocholt/Wesel,
– über Heek nach Coesfeld/Dortmund/Frankfurt und
– über Ochtrup bzw. Metelen nach Rheine, Nord- und Mitteldeutschland.
Es überrascht somit nicht, dass Brücken und Straßen schon früh mit einer „Maut“ belegt wurden. Vom Mittelalter bis zu ihre Auflösung (1811) erhob die Burgmannschaft einen Brückenzoll. Das Fürstbistum Münster verlangte von 1706 bis um 1810 einen Wegzoll. Die bischöfliche Zollstelle, das so genannte amt-horstmarsche „Zollbrett“, befand sich an der Wegegabelung auf der Seite der Burg der damaligen Dinkelbrücke. Josef Franzbach hieß der letzte Zöllner an dieser Stelle (1804). Die Darstellung des Schlagbaums auf der Stele weist auf die ehemaligen Zollstellen hin.
Es stellt sich die Frage, was es mit Dinkel, Mühle und Brücke an dieser Stelle auf sich haben kann, – liegt doch das Bett der Dinkel ein wenig abseits vom Standpunkt der Stele.
1822 wurde das Bett der Dinkel, um den Wasserabfluss unterhalb der Mühle zu verbessern, an seine heutige Stelle verlegt. Die in diesem Zusammenhang erforderliche neue Brücke wurde zur Vorgängerin der heutigen. Die alte Mühlenbrücke dient seitdem nur noch zur Überquerung der Umflut, der heutigen „Donau“. Die um die Diekweide herumführende Umflut wurde jahrhundertelang bei Reparaturen der Wassermühle zur Umleitung der Dinkel benötigt.
An der ehemaligen Mühle ist die älteste Badestelle bei Nienborg nachweisbar. 1385 ist hier ein „Badekolck“ urkundlich erwähnt.
1389 ist die Dinkel hier erstmals urkundlich als „Dynkele“ belegt.
Neben dem Fernhandel ermöglichte der Dinkelübergang auch eine Verbindung zum Friedhof in Heek. Etwa 1000 Jahre lang bestand der „Leichenweg“ der Bauerschaft Wext, – ein von Norden über den Rönacker zum Dinkelübergang zeigender Weg -. 1860 bewirkte die Umgemeindung der Bauerschaft Wext von Heek nach Nienborg eine Wegänderung des Leichenzuges zum Friedhof in Nienborg. Personen, die einen Sarg tragen, symbolisieren auf der Stele diese Begebenheit.
Auf ihrem Weg von Jütland/Dänemark zu den Verbrauchermärkten am Rhein überquerten vom 16. bis ins 18. Jahrhundert große Ochsenherden die Dinkel. Fast 10.000 Tiere passierten in den Monaten April und Mai des Jahres 1618 die Brücke. Die Herden benötigten an vielen Orten Weide- und Rastplätze. Die Bezeichnung „Ossenkamp“ erinnert als Flur- und Straßenname an einen solchen Platz. Die auf der Stele gezeigte Herde ist ein Hinweis auf die historische Ochsentrift.